Um die Weltmeere macht sich Scott Eastwood viele Gedanken. Um seine Filmrollen inzwischen auch


Zur Begrüßung im Hotel Intercontinental über dem Hafen von Marseille klopft mir Scott Eastwood kumpelhaft auf die Schulter. Er trägt einen grau-blauen Anzug, sein Teint braun gebrannt und unterm Jackett zeichnen sich durchtrainierte Muskelpakete ab. Viermal die Woche ins Gym – unübersehbar. Eastwood lässt sich auf das Sofa der Suite fallen, drückt die breiten Schultern fest in die Kissen und legt seine Füße, die in dunkelblauen Slip-ons stecken, auf den flachen braunen Couchtisch vor ihm. Was für ein Dude, denke ich automatisch, während ich an den Schuhen vorbei versuche, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen. Ganz der Vater, der sogar in der US-Talkshow „Ellen“ die Latschen auf den Coffee-Table hob.

Sitzt da also „Dirty Harry: The Next Generation“ vor mir? Scott Eastwood erzählt von „Overdrive“, dem Thriller, für den er seit ein paar Wochen in Marseille und Paris vor der Kamera steht. „Das wird ein richtig cooler Actionfilm, der sich selbst nicht so ernst nimmt. Heute Abend steht noch eine wilde Party-Szene auf einem Hausdach im Drehplan“, legt der 30-Jährige los. Der Plot ist rasch erzählt: Zwei ungleiche Brüder stehlen sündhaft teure Oldtimer. Eastwood spielt Andrew, den älteren der beiden, einen kalkulierten Planer und leidenschaftlichen Besserwisser mit Kodderschnauze, dem natürlich auch ein Mädel den Kopf verdreht. Einige der spektakulären Schlitten – und den gestählten Schauspieler selbst – konnten Eastwoods Fans bereits auf Instagram bewundern. Mit am Set: Clemens Schick als Bösewicht Max Klemp. „Ein fantastischer Schauspieler“, lobt der Amerikaner seinen deutschen Kollegen.

Am Morgen vor unserem Gespräch posierte Eastwood für ein Fotoshooting: Seit einem Jahr ist er das Gesicht für Davidoff „Cool Water“ – und damit Nachfolger des tragisch verunglückten Paul Walker. „Wie ein großer Bruder“ sei der für ihn gewesen. Für

Eastwood ist das Engagement für die Parfümmarke mehr als nur ein Job, bei dem er sich in Spots attraktiv aus dem Meer schält und das Wasser von seinem Waschbrettbauch perlen lässt. Ihm ist vor allem der Einsatz für die Ozeane wichtig. Denn Davidoff unterstützt die National Geographic Society und ihr „Pristine Seas Project“. Unter Leitung des spanischen Meeresbiologen Dr. Enric Sala studiert die Initiative die Ozeane, legt besonders schützenswerte, vom Menschen noch nicht zerstörte oder veränderte Gebiete fest und verhandelt anschließend mit den Regierungen angrenzender Länder, wie diese letzten Meeresreservate auf Dauer erhalten werden können. Eine größere Rolle in der Umweltpolitik zu spielen, das könnte sich Eastwood gut für die Zukunft vorstellen. Sein Vater war schließlich auch mal Bürgermeister.

„Ich bin an der Küste aufgewachsen, tauche schon seit Kindertagen, gehe angeln und surfen. Der Ozean ist alles für mich! Indem ich Teil eines gemeinnützigen Projekts bin, das dem Meer zurückgibt, was wir ihm genommen haben, kann ich meinen Kids später zeigen, dass unser Leben sinnvoll war und dass wir etwas Entscheidendes verändert haben.“ Und um das zu unterstreichen, zitiert Eastwood kurz John F. Kennedy, der unsere Beziehung zu den Weltmeeren so umschrieb: „What makes the ocean makes the man.“

»DER OZEAN IST ALLES FÜR MICH. IN DEM ICH TEIL EINES PROJEKTS BIN, DAS DEM MEER ZURÜCKGIBT, WAS WIR IHM GENOMMEN HABEN, KANN ICH MEINEN KIDS SPÄTER ZEIGEN, DASS UNSER LEBEN SINNVOLL WAR«

 

Angesichts dieser Kindheit und Jugend überrascht es wenig, dass Eastwood nach ersten kleinen Rollen an der Seite seines Vaters in „Gran Torino“ (2008) und „Back in the Game“ (2012) vor allem coole Surfer verkörpern wollte. Spiel, was du kennst. In „The Perfect Wave“ war er als junger Wellenreiter zu sehen, der nach einer Nahtoderfahrung den Weg zu Gott findet. Brenzlige Situationen hat Eastwood auch im wahren Leben schon etliche er- und überlebt: „Ich wäre beim Surfen fast ertrunken. Um Haaresbreite hätte mich ein Bulle totgetrampelt, der mich abgeworfen hatte. Ich bin aus Flugzeugen gesprungen und beinahe mit einem Helikopter abgestürzt.“ Aber Angst vor dem Tod? Nö! Da ist er wieder, der lässig harte Eastwood.

Wie sein Vater Clint muss auch Scott erst lernen, die guten Rollen von den anderen zu unterscheiden. Auf seine bisherigen Auftritte angesprochen, wechselt er die ausgestreckten Beine auf dem Tisch und gibt ganz offen zu: „Nicht die besten Filme, man möge mir vergeben.“ Er hatte einfach nur Lust, auf dem Surfbrett zu stehen, an idyllischen Locations in Südafrika, Bali und Australien. Aber von jetzt an „keine Surfer mehr, versprochen“.

Warum startete er seine Karriere eigentlich mit dem Nachnamen seiner Mutter Jacelyn Reeves, einer Stewardess, mit der Clint nie offiziell liiert war? „Ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Mir beweisen, dass ich auch als Scott Clinton Reeves eine Rolle ergattern kann.“ Heute stört es ihn nicht mehr, auf seinen Vater angesprochen zu werden. Er sei sehr darauf bedacht gewesen, dass seine Kinder beschützt und gesund aufwachsen. Als Teenie nahm er Scott mit in den Golfklub ihres Heimatstädtchens Carmel, Kalifornien, zum Work-out ins Gym und zu Dreharbeiten. „Seinetwegen wollte ich Schauspieler werden. Er ist mein Held und er wird es auch immer belieben. Ich bin so stolz auf ihn.“ Sein liebster Film des Vaters: „Erbarmungslos“.

Was ihm der Vater beigebracht hat? Lektionen wie: Hör gut zu. Arbeite hart. Trage den Kopf nie zu hoch, sei stets bescheiden. Und
glaube niemals dem Hype um dich. Eastwood zitiert noch einmal JFK: „Einen Mann zeichnet nicht aus, wie er sich in bequemen Zeiten verhält, sondern wenn er im Zentrum einer Kontroverse steht.“

Noch knapp zwei Wochen Dreharbeiten bleiben Scott Eastwood in Marseille. Im Herbst geht es dann mit der National Geographic Society und dem „Pristine Seas Project“ auf Expedition: „Ich vermute, wir fahren an der Küste von Baja in Mexiko entlang“. Der perfekte Stoff für einen Abenteuerfilm. Mit Scott Eastwood in der Hauptrolle: ein Öko-Krieger, der gegen eine Armada von Umweltgangstern antritt. Das würde auch seinem Dad gefallen.

Mit „Pacific Rim 2: Uprising“ (seit Sommer 2018 auf DVD) hat Scott Eastwood seine erste Hauptrolle in einem Blockbuster ergattert.

Foto: © Universal Pictures

Dieses Porträt erschien erstmals 2016 in L'Officiel Hommes.