Ihre Filmrollen brachten ihr Ruhm, ihr soziales Engagement Anerkennung – und „Thelma & Louise“ machte Susan Sarandon unsterblich! Doch welche Frauen haben sie selbst inspiriert, was findet sie „schön“ und will sie vielleicht wirklich als Politikerin gegen Donald Trump antreten? Matthias Luckwaldt traf die Oscar-Preisträgerin in New York
Sie sind gerade 72 Jahre alt geworden und in fast jedem Artikel über Sie wird von Ihrer Schönheit geschwärmt. Wen oder was finden Sie selbst denn attraktiv?
Sicher nicht äußerliche Perfektion. Schön finde ich Frauen und Männer, die verstehen, dass die Welt erst dann gerecht ist, wenn alle Menschen die gleichen wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen haben. Sie denken nicht nur an sich selbst, sondern auch an die Bedürftigen. Oft sind es Prominente, die durch ihre Berühmtheit Menschen eine Stimme geben, die sonst selbst nicht zu Wort kommen würden. Und klar: Manchmal kommen äußere und innere Schönheit natürlich auch zusammen.
Fällt Ihnen ein Beispiel ein?
Christy Turlington, sie hat nicht nur eine eigene Familie gegründet, sondern setzt sich mit ihrer Organisation „Every Mother Counts“ auch für sichere Geburten in Afrika und Asien ein. Yoga ist ihr definitiv wichtiger als Botox. Und selbst wenn sie gebotoxt ist, dann ist es sehr subtil und gut gemacht [lacht].
Welche weiblichen Vorbilder hatten Sie, als Sie mit der Schauspielerei anfingen?
Ende der Sechziger war Barbarella ganz groß – diese von Männern ersonnene Superheldin im hautengen Space-Anzug. Ich habe mir aber lieber die weiblichen Stars angeschaut, die nicht diesem Ideal entsprachen und mich gefragt, was sie so attraktiv macht. Schauspie- lerinnen wie Melina Mercouri und Silvana Mangano. Beide hatten etwas Lebensbejahendes. Sie waren unerschrocken, selbstbewusst, hatten aber auch keine Scheu, ihre verletzliche Seite zu zeigen.
Wir sollten also entspannter mit unseren Schwächen umgehen?
Verletzlichkeit ist für mich zumindest nicht zwingend etwas Negatives. Sie kann uns helfen, mehr Mitgefühl zu kultivieren. Wir sollten verstehen, dass mit dem Leben auch Schmerzen verbunden sind. Schmerzen, die aber wieder vorbeigehen. Aber alles bitte ohne die Tragik einer Marilyn Monroe, die soviel Verletzlichkeit besessen hat, dass sie daran zugrunde gegangen ist.
Sie haben einmal gesagt: „Ich bin Humanistin, keine Feministin.“ Sehen Sie das heute noch so?
Es gab mal eine Zeit, da wollte man sich dieses Etikett nicht unbedingt aufdrücken lassen. Für die breite Masse waren Feministinnen schrille Lesben, die schreiend durch die Straßen liefen. Was auch stimmte, … aber irgendwie auch nicht. Diese Anti-Haltung war so stark, dass ich beinahe eine Dokumentation über dieses Phänomen gedreht hätte. Mittlerweile ist es wieder „en vogue“ Feministin zu sein. Ich mag diese ganzen Etiketten aber grundsätzlich nicht und finde sie sogar gefährlich, weil sie unweigerlich zu Grabenkämpfen führen. Betitelungen und Stempel verengen unsere Sichtweise – wobei der Begriff Humanist ja sehr umfassend ist. Okay, die Tiere würden mir jetzt natürlich widersprechen, wenn sie könnten.
Bei den letzten Präsidentschaftsvorwahlen haben Sie sich sehr für Bernie Sanders engagiert. Wollen Sie 2020 nicht vielleicht selbst antreten?
Niemals! Nicht mal im Traum. Gerne werfe ich mich wieder für den richtigen Kandidaten in die Bresche. Ich hoffe sehr, dass Bernie noch einmal kandidiert. Für mich selbst wäre ein politisches Amt aber wirklich nichts. Das sind die schlimmsten Jobs überhaupt. Die Arbeit von außen ist viel erfüllender. Da muss man nicht so viele faule Kompromisse eingehen.
Welcher starke Frau würde Sie gerne einmal darstellen?
Wenn mir diese Frage gestellt wird, bin ich immer etwas ratlos. Ich habe keine Liste von berühmten Persönlichkeiten, wenn Sie das meinen. Mich begeistern eher die unbesungenen Heldinnen – normale Frauen wie Michaela Odon, die ich in „Lorenzos Öl“ gespielt habe, oder Schwester Helen Prejean, um die es in „Dead Man Walking“ geht. Frauen, die das Leben zur Heldin gemacht hat, die aber niemals eine sein wollten.
Sie sind das Gesicht des neuen Dufts „Sunlight Eau de Parfum Lumière“ von Jil Sander. Welcher Ihrer Kinofiguren würden Sie im echten Leben dieses Parfüm schenken?
Wahrscheinlich Annie Savoy aus „Annies Männer“. Ich habe die Rolle 1988 an der Seite von Kevin Costner gespielt. Annie ist eine hübsche junge Frau mit extravagantem Stil. Sie würde den Duft bestimmt ausprobieren. Schwester Helen würde ihn wohl eher nicht tragen.
„Sunlight Lumiere“ hat viele florale Noten. Haben Sie eine Lieblingsblume?
Ich liebe Gardenien. In den Siebzigern war ich oft bei der „Tonight Show“ mit Johnny Carson zu Gast. Meistens brachte ich eine Gardenie mit oder trug sie lässig im Haar. Später hatte ich einen Freund, der für mich seinen gesamten Vorgarten mit insgesamt 50 Gardenien bepflanzte. Das war eine sehr rührende Geste. Unserer Beziehung hat es dennoch nicht wirklich geholfen.
Neben der Schauspielerei und ihren zahlreichen sozialen Engagements – wo und wie gönnen Sie sich mal eine Auszeit?
Ganz einfach beim Spielen mit meinen Enkelkindern – oder der Gartenarbeit. Und ich tanze sehr oft in meiner Küche. Denn leider sind in New York seit Bürgermeister Giuliani die ganzen guten Clubs verschwunden.
Und zu welcher Musik tanzen Sie dann?
Meine beiden Söhne, von denen einer auch als DJ arbeitet, stellen mir Playlists zusammen. Ich höre die ganzen klassischen R&B-Künstler: Steve Wonder, Prince, aber auch Bands wie Of Montreal, LDC Soundsystem und Arcade Fire. Mein Geschmack ist sehr vielfältig. Der reicht bis zu afrikanischer Musik. Einfach alles, was einen guten Beat hat.
Dieses Interview erschien 2019 in Brigitte Woman.
Foto: Mathieu Cesar