Die Mode-Ikone des amerikanischen College-Looks war der Held „unserer“ Popper-Generation. Ein Gespräch über deutsche Charakterzüge, Preppy-Style und seine „zweite Geburt“


Sie gelten als Erfinder eines modernen American Style. Was ist typisch amerikanisch an diesem Mann namens Tommy Hilfiger?

Alles. Ich bin ein Mix, so wie ganz Amerika. Mein Vater hat deutsch-schweizerische Wurzeln, meine Mutter irische und schottische. Ich bin in einer dieser idyllischen Kleinstädte aufgewachsen, wo jeder jeden kennt. Früher hätte ich mir durchaus vorstellen können, einfach in Elmira wohnen zu bleiben. So wie viele Freunde und Nachbarn. Das änderte sich schlagartig, als ich zum allerersten Mal nach New York City fuhr. Plötzlich hatte ich einen größeren Traum. Ich stellte mir vor, eines Tages in so einer aufregenden Metropole zu leben. Unsere Kindheit und Jugend prägten damals natürlich Baseball, Football und Basketball. McDonald’s war in den Sechzigern the place to go. Inspiration finde ich bis heute in den großen amerikanischen Ikonen: James Dean, Marilyn Monroe, Audrey Hepburn und die Kennedys. Janis Joplin, Jimi Hendrix. Denken Sie nur daran, was Amerika der Welt noch alles beigesteuert hat: Apple und Microsoft, dazu Figuren wie Mickey Mouse und Donald Duck.

Sind Sie also so etwas wie der Walt Disney der Mode?

Nein, sicher nicht, aber ich sehe mich sehr wohl als Teil der amerikanischen Kultur. So wie Hollywood und all die Filme, die um die Welt gehen, und legendäre Locations wie Vegas, Miami und Aspen. Dieser ganze Kosmos aus Popkultur, Geografie, der ganze way of life bestimmen mein Leben. Ich bin also ein wenig Disney, ein bisschen Warhol, etwas Springsteen…

Welchen deutschen Charakterzug haben Sie abbekommen?

Oh, ich bin sehr pünktlich, meistens… Wenn ich in Deutschland bin, fühle ich mich zu Hause. Ich liebe die bayerische Zünftigkeit, das gute Essen, von Sauerkraut über Schnitzel bis zu eisgekühltem Bier. Ich bin sehr stolz auf meine deutschen Wurzeln. BMW, Mercedes, Porsche, all diese tollen Marken…

Volkswagen lassen wir aus aktuellem Anlass lieber außen vor

Ach, das geht auch vorüber. Was die Deutschen alles erfunden haben – einfach sensationell. Bad news hin oder her…

Apropos bad news: Was war das größte Missverständnis über Sie?

Es gab mal das Gerücht, ich sei ein Rassist. Was natürlich komplett erfunden war!

Bringt Sie solcher Gossip aus der Ruhe?

Die Rassismusvorwürfe haben mich schon wütend gemacht. Dass jemand überhaupt auf den Gedanken kommt, solche absurden Lügen in die Welt zu setzen.

Es heißt, in der Highschool hätten Sie sich hauptsächlich auf „Musik, Mädchen und Autos“ konzentriert. Bitte etwas genauer …

Hmm… Ich fuhr einen 1963 Corvair und mochte „I Want To Hold Your Hand“ von den Beatles. Aber wer war eigentlich damals meine Freundin? Es war ein ständiges Hin und Her, weil ich mich einfach nicht für eine entscheiden konnte. Ich glaube, sie hieß… Barbara!

Sie haben auch einmal gesagt, dass Sie als Kind nur wenig Selbstvertrauen
hatten. Sie waren zu klein für das Football-Team … Wann haben Sie diese Underdog-Rolle überwunden?

Als ich zuerst aus Manhattan „importierte“ coole Jeans verkaufte, direkt aus dem Kofferraum meines alten VW Käfer, und dann mit 18 Jahren in Elmira meinen ersten Jeans-Shop eröffnete – das war wie eine zweite Geburt. Endlich hatte ich meinen Weg gefunden. Genau das wollte ich tun: ins Fashion Business, mich mit Musik und Popkultur beschäftigen und alles aufsaugen, was 1969 die Welt bewegte.

Ihren ersten Shop nannten Sie damals „People’s Place“. Mit „We the people …“ beginnt auch die Verfassung der USA. Zufall?

Nein. Ein Laden für alle, das war von Anfang an meine Motivation und mein Ziel. Und ist es bis heute. Insgeheim wollte ich damals auch, dass sich die Leute genauso anziehen wie ich! Die Jungs in meiner Schule sahen nämlich extrem langweilig aus. Mein heutiges Outfit hätte denen gefallen: Chinos, kombiniert mit Button-down-Hemd. Sehr, sehr preppy. Aber 1969 nicht wirklich cool. Also fragte ich sie, ob sie nicht auch Schlaghosen und Fransenklamotten tragen wollten. Der Start in Elmira war ein guter Crashkurs, um nicht nur das Fashion Business, sondern vor allem die Bedürfnisse von Kunden zu verstehen.

Was haben Sie aus dem frühen Bankrott von People’s Place gelernt? Denn trotz Expansion auf mehrere Filialen war 1977 Schluss.

Als ich anfing, hatte ich kaum Ahnung vom Business. Es hat mich auch nicht so interessiert. Schließlich landete ich in den Miesen und musste lernen, mich auch um das Geschäftliche zu kümmern. Kreativ zu sein, reicht einfach nicht!

Trotz Ihres Faibles für die Hippie-Kultur und wilde Mode wurde später ausgerechnet der brave Preppy-Style Ihr Markenzeichen.

Stimmt, aber ich wollte den Look interessanter machen. Ich habe also 1985 alle etwas angestaubten Klassiker neu entworfen… Anfang der Achtziger war ich oft in L.A. unterwegs, wo ein sehr entspannter Look dominierte. Alles saß locker und baggy. Meine neue Version des Prepster wurde also oversized, sehr detailreich, in kräftigen Farben, manchmal etwas ausgewaschen. Und Stück für Stück wurde preppy so wieder cool!

Haben Sie einen persönlichen Tipp für den Preppy-Style 2016?

Quality is king! Sie brauchen einen guten Sweater aus Kaschmir- oder Lammwolle. Schnitt und Komfort sind ebenfalls wichtig. Kombinieren Sie immer so, dass Sie sich darin wohlfühlen.

Hilfigers Autobiografie „American Dreamer: My Life in Fashion and Business“ erschient im Oktober 2016 – Tommy Hilfiger Online-Shop: de.tommy.com

Dieses Interview erschien erstmals 2016 in L'Officiel Hommes.